Homosexualität und Deviation
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In der Christ & Welt –Beilage der ZEIT vom 13. 1. 11 und der ZEIT vom 20. 1. 11 geht es um die Frage der Homo-Priesterschaft in der evangelischen Kirche Deutschlands.
Acht Alt-Bischöfe hatten zuerst gegen die homosexuelle Partnerschaft im Pfarrhaus plädiert, wobei sie sich vor allem auf das Wort der Heiligen Schrift und der darin konstatierten Widernatürlichkeit und Schöpfungswidrigkeit berufen. In der neuesten Ausgabe der ZEIT geben etliche theologische Professoren wiederum gegenteilige Stellungnahmen ab.
Alle befürworten sie, wenn die Partnerschaft des Pfarrers auf Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen, also dem, was man auch die "Materie" des Ehesakramentes genannt hat, fußt, sei die psychosexuelle Orientierung nicht wichtig. Ich arbeite seit dreißig Jahren als Psychoanalytiker oft mit Patienten zusammen, die aus dem im weitesten Sinne „religiösen Bereich“ kommen. Dabei geht es häufig um die zitierte Problematik, der ich allerdings ganz andere Argumente zugrunde legen würde.
Schon vor langem hat die Psychoanalytikerin Poluda-Korte in mehreren Veröffentlichungen dafür plädiert, nicht von weiblicher Homosexualität zu sprechen sondern vom ‚lesbischen Komplex‘. Die lesbische Liebe ist keine sexuelle Deviation. Oft liegen ihr ein besonders überhöhter Liebesanspruch und eine Identifizierung mit stattlichen, großen und starken, aber eher als geschlechtslos empfundenen Vätern zugrunde. Häufig wird die Mutter abgewertet. Es liegt also meist ein unbewusster Konflikt oder Komplex vor, der sich weder „biologistisch“ noch „literarisch“ (Bibel), also mit den oben von beiden Parteien als positiv oder negativ benutzten Argumenten begründen lässt, sondern mehr unbewusst intersubjektiv. Ähnlich ist es mit der männlichen Homosexualität. Hier spielt das Sexuelle eine im Vordergrund stehende Rolle.
Meist findet man in der Geschichte des homosexuellen Mannes häufig eine sehr dominante Mutter und einen diese Frau sehr anhänglich und abhängig liebenden Vater vor. Der eigentliche identitätstiftende Vater bleibt dem Homosexuellen meist verwehrt und so kommt es dazu, was J. Lacan eine „père-version“ nannte, eine „Vaterverdrehung“. Aber auch der Heterosexuelle ist nicht frei von Komplexen, wenn er ständig eine andere Frau braucht oder im Kopf hat. Gewiss sind dies alles nur pauschale Hinweise, das Entscheidende in der Psychoanalyse liegt natürlich in ihrem komplexen therapeutischen Vorgehen, das jedesmal anders ist.
In diesem Sinne glaube ich, dass ich aus meiner Arbeit heraus sagen kann, dass man den Priester-Theologen als etwas ganz Eigenständiges, nur dem Religiösen Zugewandtes auffassen und ihn vom sozial tätigen Seelsorger-Theologen trennen sollte. Der Priester sollte dann außer einer theologischen Ausbildung auch eine psychoanalytische absolvieren, um sich von dem unbewusst Komplexhaften weitgehend befreit zu haben und monogam bleiben zu können. Genauso wie nicht alle psychoanalytischen Ausbildungskandidaten zum fertigen Analytiker zugelassen werden (oder durch die Ausbildung selbst sehen, das sie dafür nicht taugen), könnten so auch vorwiegend nur die Priester ins Amt kommen, die dazu berufen sind. Monogamie heißt also nicht Hetero- oder Homosexualität, aber auch nicht Asexualität.
Im Gegenteil, der bekannte amerikanische Paartherapeut D. Schnarch konstatierte gerade bei den Ehen eine besondere Leidenschaftlichkeit, die sich lange kennen, sehr vertraut miteinander umgehen und auch detailliert und offen über ihre Intimität reden (D. Schnarch, Passionate Marriage, Norton, 2009). Insbesonders das Letztere scheint das Wichtigste zu sein.
Ich will damit sagen, dass die katholische Kirche ihre Männerdomäne wohl aufgeben sollte und dass diese von mir vorgeschlagene Änderung nur Sinn macht, wenn auch die Kirchen sich endlich zusammenschließen. Ein monogames Paar, in dem der Mann oder die Frau das Priesteramt bekleiden, sollte für eine einheitliche christliche Kirche gelten. Ich will damit aber auch sagen, dass die außerchristlichen Religionen das Problem, das wir hier mit der sexuellen Orientierung haben, nicht verstehen und wir von einer „World Fellowship of Religions“ weit entfernt sind. Dessen Begründer (Kirpal Singh 1894-1974) versuchte nicht nur ein Dach für alle Religionen zu schaffen, er fand auch eine besonders kuriose Lösung für das Problem der Sexualität: er gründete eine Familie, hatte zwei Kinder, lebte dann jedoch für den Rest des Lebens (48 Jahre, ein altes hinduistisches Ritual) zölibatär.
Vielleicht ist ein freiwilliges Zölibat sinnvoll, denn es verleiht manchem eine mythische Kraft (sie ist sicher nicht wissenschaftlich zu belegen) Aber vielleicht ist der Begriff und das originäre Wesen, das sich unter dem Namen „Priester“ versammeln sollte, ohnehin gar nicht mehr zeitgemäß. Der evangelische Theologe K. Marti schrieb einmal: „Gott ist nie Ersatz, erst recht nicht für die lebenslang Geliebte . . .“ Vielleicht sollte man sich daran halten.
Beigetragen von: Dr. Günter von Hummel